Was ist Achtsamkeit?

Ganz grundsätzlich verstehen wir unter Achtsamkeit das ganz bewusste Sein im Augenblick, im Hier und Jetzt.

Das heißt konkret: Wenn ich eine Tasse Tee trinke, trinke ich diese Tasse Tee – und nichts weiter. Ich bin mit meiner Aufmerksamkeit und mit meinen Gedanken bei dieser Tätigkeit. Und ich nehme diese Tätigkeit mit all meinen Sinnen wahr. Das heißt ich rieche den Duft, ich spüre die Wärme in meiner Hand, den Geschmack auf meiner Zunge. Vielleicht nehme ich zusätzlich noch den Raum wahr, in dem ich mich befinde, die Stimmung des Raumes, aber ich lasse mich ganz bewusst nicht ablenken von den Problemen, Sorgen und Nöten des Alltags. 

Achtsamkeit im Alltag

Was im Alltag aber häufig passiert, ist, dass wir eben nicht achtsam unseren Tee trinken. Eher ist es normal für unseren hektischen Lebensstil, dass  ich eine Tasse Tee vor mir habe, während ich in Gedanken meine ToDos des Tages durchgehe, auf einem Notizblock meine Einkaufsliste vervollständige und nebenbei noch im Handy auf eingegangene Nachrichten antworte. Ich kann kaum sagen, um welchen Tee es sich handelt, und verbrenne mir beim ersten Schluck die Zunge, weil ich vergessen habe, dass der Tee heiß sein könnte.

Kommt dir bekannt vor? Was mag gesünder sein?

Ja, mit Sicherheit weißt du das. Und du wirst jetzt einwenden, dass wir im Alltag kaum die Zeit haben, jede Tasse Tee achtsam zu trinken und anschließend in Achtsamkeit den Einkaufszettel zu erstellen bevor wir achtsam Nachrichten beantworten. Stimmt! Das ist jetzt aber auch sehr schwarz-weiß gedacht. Wir können ja klein anfangen und erstmal jeden Tag eine Tasse Tee in Achtsamkeit trinken – und dann sehen, was sich daraus entwickelt. 

Fakt ist:

Achtsamkeit entschleunigt, Achtsamkeit ist gesund und Achtsamkeit kann glücklich machen. Diese und weitere positive Effekte von Achtsamkeit liest du hier. 

Die Idee der Achtsamkeit

Dabei ist die Idee der Achtsamkeit nicht wirklich neu. Achtsamkeit kommt seit Jahrhunderten (vielleicht) sogar Jahrtausenden in allen Religionen und v.a. in der buddhistischen Meditationspraxis vor. 

Neu ist die „Moderne Achtsamkeitslehre“, deren Begründer Jon Kabat-Zinn in den 1970er Jahren Achtsamkeit als Werkzeug gegen vielfältige stressbezogenen Erkrankungen betrachtete und umfangreiche Forschungen dazu initiierte. 

Jon Kabat-Zinn erforschte die Wirkungen von Achtsamkeit und systematisierte Achtsamkeit als erster, legte gewissermaßen die Regeln fest und entwickelte daraus die Kurse zur Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR), deren therapeutischer Nutzen weltweit wissenschaftlich anerkannt ist.

Mehr über MBSR-Kurse findet du auf der Seite des MBSR-Verbands. Dort kannst du u.a. nach Kursen in deiner Nähe suchen. Meine Erfahrungen als Teilnehmerin eines MBSR-Kurses liest du hier. 

Worauf es bei Achtsamkeit ankommt: 

  1. Nimm wahr, was JETZT ist, was HIER ist
  2. Nimm wahr mit all deinen Sinnen
  3. Bewerte nicht, beobachte nur 
  4. Bleibe neugierig, beobachte mit „Forschergeist“

In der Praxis lässt sich das Konzept der Achtsamkeit auf alle Lebensbereiche anwenden, z.B. Essen & Trinken, Sport & Hobbys, Gespräche und sogar deine Arbeit. 

Ein Beispiel für Momente der Achtsamkeit findest du in #8sammeln am 8.Oktober. Hier habe ich acht alltägliche Gegebenheiten in Achtsamkeit erlebt und das Erlebte aufgeschrieben.

Zum Üben ist aber die Tasse Tee ein großartiger Einstieg und muss deshalb hier nochmal als Beispiel herhalten. 

Suchst du noch mehr Anregungen? Achtsamkeitsideen? Dann schau mal in meinen Adventskalender im Buch „Jeden Tag ein Moment für dich“. Hier findest du 24 Anregungen mit Hintergrundwissen und Anleitungen zum sofort Umsetzen.

Jetzt aber zu unserem Beispiel….

Beispiel: Die Tasse Tee

In der Situation „Du sitzt irgendwo und hältst eine Tasse Tee in den Händen“ kann eine achtsame Herangehensweise so aussehen:

  1. Nimm wahr, was JETZT ist, was HIER ist

Du nimmst wahr was JETZT ist: Du sitzt und hältst eine Tasse Tee in den Händen

Du nimmst wahr was HIER ist: Du sitzt auf diesem Stuhl (o.ä.) in diesem Raum

UND du bleibst mit deiner Aufmerksamkeit bei diesen Gedanken. Sollten sich andere Gedanken (ToDo’s, Einkaufszettel, Handy etc.) dazwischen mogeln, kommst du mit deiner Aufmerksamkeit wieder zurück – sobald du diese anderen Gedanken bemerkt hast! WICHTIG: mach dir keine Vorwürfe, verurteile dich nicht – das wären Bewertungen! Komm einfach wieder mit deiner Aufmerksamkeit zurück zu deinem Stuhl und deiner Tasse Tee, also ins HIER und JETZT.

  1. Nimm wahr mit all deinen Sinnen

Jetzt beginnst du mit allen Sinnen wahrzunehmen, was hier und jetzt ist. 

Was riechst du?

Ganz bestimmt den Geruch des Tees? Kannst du unterscheiden, was genau es ist? Z.B. Kamille oder Pfefferminz😉? Vielleicht riechst du aber auch noch anderes – vielleicht hängt noch Knoblauch in der Luft, weil du eben gekocht hast, oder dein Hund hat gepupst. Nimm wahr, was du riechst. 

Was schmeckst du?

Wonach schmeckt dein Tee? Kannst du irgendetwas besonders deutlich herausschmecken? Oder hast du noch einen Restgeschmack von Knoblauch oder deinem Kaugummi im Mund?

Nimm alles wahr und beschreibe es dir. 

Was siehst du? Wie sieht die Tasse aus? Hat sie ein Motiv? Einen Sprung? Ist sie vielleicht gar nicht ganz rund, sondern eher irgendwie unsymmetrisch? Welche Farbe hat dein Tee? Ist es immer dieselbe, oder verändert sie sich während des Betrachtens? Kannst du vielleicht Dampf aufsteigen sehen?

Schau ganz genau hin und beschreibe dir, was du siehst. 

Was hörst du? Macht dein Tee Geräusche? Klingt vielleicht komisch, aber achte mal darauf. Meiner Erfahrung nach machen zumindest Kaffee und Kakao Geräusche. Vielleicht hörst du aber auch Regentropfen auf der Fensterbank, oder dein Nachbar übt Klavier. 

Hör genau hin und beschreibe dir, was du hörst. 

Was fühlst du? Das ist vielschichtig. Hier geht es sowohl um körperliche Wahrnehmungen als auch um Emotionen. 

Zunächst fühlst du vielleicht den Stuhl, auf dem du sitzt. Vielleicht ist er hart oder sehr weich. Du fühlst die Wärme des Tees in deinen Händen und auch mit dem Mund kannst du etwas fühlen, wenn du einen Schluck Tee nimmst. 

Auf emotionaler Ebene ruft der Tee vielleicht Erinnerungen wach, die dir eine Gefühl von Geborgenheit geben oder du bist plötzlich fröhlich und musst lachen, weil du genau diesen Tee das letzte Mal mit deiner besten Freundin getrunken hast und da ist …. passiert. 

  1. Bewerte nicht, beobachte nur

Und jetzt kommt das Wichtigste und vermutlich das Schwierigste: Beobachte nur, bewerte nicht. Was soll das jetzt heißen?

Das soll heißen, wenn du z.B. beschreibst, wie heiß die Tasse in deiner Hand ist, bleibst du bei „Die Tasse ist sehr heiß. Sehr, sehr heiß, so heiß, dass ich mir die Finger verbrenne, wenn ich sie länger in Händen halte.“ Heiß ist eine Beschreibung ohne eine Wertung. 

Oft fallen wir automatisch in eine Art Bewertungsmodus. Das könnte dann so lauten. „Verflixt, wie heiß ist diese Tasse denn? Das kann doch keiner aushalten. So ein Mist! Das ist jetzt ganz schlecht, weil mir das weh tut, und weil ich jetzt viel länger brauche um den Tee zu trinken und dann zu spät zu … komme. usw.“ Schlecht ist offensichtlich eine Bewertung, aber auch verflixt und Mist enthalten Bewertungen. 

Und sowie Bewertungen dazu kommen, verfliegt die positive Wirkung der Achtsamkeit. Wir kreiseln in negativen Gefühlen und stressen uns so körperlich. 

  1. Bleibe neugierig, beobachte mit „Forschergeist“

Forschergeist? Was ist Forschergeist?

Der Anspruch an Forschergeist meint, dass wir diese Tasse Tee neugierig betrachten sollen, als wäre es unsere Allererste.

Denn natürlich haben wir schon viele Tassen Tee getrunken und wissen grundsätzlich, wie Tee schmeckt, wie es sich anfühlt eine heiße Tasse in Händen zu halten, und dass schwarzer Tee meistens dunkler aussieht als Früchtetee. 

Darum geht es aber nicht im Rahmen der Achtsamkeit. Hier fragen wir wirklich: Wie ist es genau JETZT? Wie ist es genau HIER? Und nicht: Wie ist es normalerweise?

In dem Moment, wo wir uns auf unsere Erfahrungen („Der Tee hat schon immer so oder so geschmeckt, das wird er wohl auch heute tun.“) oder Vermutungen („Der Tee ist bestimmt genauso heiß wie der Tee gestern.“) verlassen, sind wir nicht mehr im HIER und JETZT, sind wir mit unserer Aufmerksamkeit in der Vergangenheit. 

Und dann verpufft die positive Wirkung der Achtsamkeit. 


Alles klar soweit? Hast du noch Fragen rund um Achtsamkeit? Schreib mir gern. Ich freue mich über deine Anregungen.

Wie sieht es bei dir aus mit der Achtsamkeit? Fängst du gerade an Achtsamkeit hin und wieder in deinen Alltag zu integrieren? Vielleicht magst du mal in meinen Podcast reinhören. Hier gehts zu der Folge mit der Tasse Tee. Dann brauchst du dir die Schritte nicht merken, sondern kannst dich auf deinen Tee konzentrieren während ich dich anleite. 

Oder bist du schon Profi? Was ist dein Trick? Schreib es gern in die Kommentare, dann können wir alle davon profitieren. DANKE!


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