Mein MBSR-Kurs oder „Die Wellen des Lebens surfen“
„Die Wellen des Lebens“ – Genau, besonders, wenn es mal wieder stürmisch ist und die größten Wellen über uns zusammenschlagen, wünschen wir uns, wir hätten bei Sonnenschein auf einem Ententeich das Surfen geübt.
Auch ich habe gewartet bis es richtig stürmisch war, bevor ich mich um fundierte Surf-Fähigkeiten gekümmert habe. Vorher dachte ich immer „Das schaffst du schon“.
Die gute Nachricht ist: Es gibt so eine Art Surf-Kurs, der uns die Grundlagen beibringen kann. Egal, ob die Sonne noch scheint, oder wir schon im Sturm unterwegs sind: ein MBSR-Kurs.
Vor ein paar Jahren habe ich selber an einem solchen MBSR-Kurs teilgenommen und möchte dich hier an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.
„Man kann die Wellen nicht aufhalten, aber man lernen zu surfen.“
Jon Kabat-Zinn in „Im Alltag Ruhe finden“
Was hat Surfen mit Achtsamkeit zu tun?
Der Surfkurs, von dem ich schreibe, ist ein Kurs in Achtsamkeit.
Die Idee ist: wenn das Leben stürmisch wird – egal, ob „einfach nur stressig“, oder schon so stressig, dass wir mit Burn Out, Depression, chronischen Schmerzen und anderen chronischen Erkrankungen kämpfen- üben wir uns in Achtsamkeit, verbinden uns mit unserm Körper und lernen auf diesem Wege dauerhaften Stress zu reduzieren und besser mit akuten Stresssituationen umzugehen.
Wir stellen uns also nicht länger gegen den Wind und verbrennen wertvolle Energie, sondern leben mit dem Wind. Und wie das geht, lernen wir im MBSR-Kurs.
Mehr zum Thema Achtsamkeit im Allgemeinen habe ich hier für dich aufgeschrieben:
MBS- Was? MBSR = Mindfulness Based Stress Reduction
Ist ein Konzept, dass auf den amerikanischen Wissenschaftler Jon-Kabat Zinn zurück geht, der in den 1970er Jahre versuchte traditionelle östliche Meditations- und Achtsamkeitspraktiken für Patienten in der westlichen Welt ersten zugänglich zu machen und zweitens wissenschaftlich zu belegen, dass diese Techniken helfen können physischen und psychische Symptome zu reduzieren.
Mittlerweile ist die Effektivität von Jon-Kabat Zinns Programmen zur Stressreduzierung ausführlich erforscht und wissenschaftlich anerkannt, sodass manche Kliniken MBSR Kurse anbieten und Krankenkassen z.T. sogar die Teilnahme an MBSR Kursen finanzieren.
Während es online und offline vielfältige Angebote zum Achtsamkeitstraining und zum Leben mit weniger Stress gibt, sind MBSR Kurse nach Jon Kabat Zinn einzigartig und klar strukturiert.
Zertifizierte MBSR-Trainer, die eine fundierte Ausbildung absolviert haben und diese zertifizierten MBSR-Kurse anbieten dürfen, findest du unter:
https://www.mbsr-verband.de/kurse/privatpersonen
Bevor es losgeht
Auf der Seite des MBSR-Verbandes habe ich auch vor einigen Jahren nachgeschaut, ob und wann und wo ein MBSR-Kurs in meiner Nähe stattfinden würde.
Und ja, ich wurde fündig. Im November gesucht, im Februar sollte es schon losgehen.
Irgendwie ging es im November schon ein Stückchen los, denn der MBSR-Philosophie folgend, kann man sich nicht einfach durch einen Klick oder eine Mail anmelden.
Hier ist ein persönliches Gespräch (das kann auch am Telefon stattfinden) obligatorisch.
D.h. du verabredest per Mail einen Telefontermin für das Kennenlernen und kommst dann das erste Mal mit deinem MBSR-Trainer in Kontakt. Du hörst die Stimme, erlebst die Gesprächsführung und kannst deine Fragen stellen- hier merkst du schon, ob das der Richtige Mensch sein kann, der dich später über 8 Wochen begleiten wird.
In diesem ausführlichen Erstgespräch erklärt dir dein Trainer den Ablauf des Kurses, fragt nach deiner Motivation, deiner Ausgangslage, deinen Erwartungen an den Kurs und nach Besonderheiten, die du vielleicht mitbringst.
Und dann? Dann habe ich ganz gespannt gewartet, bis der Kurs endlich losging…
Die Struktur des Kurses
Der MBSR-Kurss geht über 8 Wochen und schließt mit einem Achtsamkeitstag ab.
In jeder der 8 Wochen gibt es einen Abend im einer besonderen Thematik. Die Themen bauen aufeinander auf und am Abschlusstag, der 6 Stunden dauert, werden alle Fäden zusammengeführt.
Nach jedem Abend gibt es Hausaufgaben – wir sollten jeden Tag üben – bis zur nächsten Woche. Dann werden die Aufgaben ausgeweitet.
Das klingt ganz schön anstrengend, und ja, es ist nicht immer einfach das umzusetzen (und ich habe auch nicht jeden Tag meine Hausaufgaben gemacht😉), aber Achtsamkeit ist nunmal wie ein Muskel. Und der will trainiert werden. Das geht nur durch üben, üben, üben.
Die Themen, der einzelnen Abende sind
- Achtsamkeit
- Wie wir die Welt wahrnehmen
- Im Körper beheimatet sein
- Stress & Achtsamkeit
- Achtsamkeit gegenüber Gedanken
- Gefühle willkommen heißen
- Achtsame Kommunikation
- Für sich Sorge tragen
Im Laufe des Kurses werden mindestens folgende Arten der Meditation immer und immer wieder geübt:
- Bodyscan
- Sitzmeditation
- Geh-Meditation
- Meditation der liebenden Güte (Metta-Meditation)
- Atemmeditation
- ausgewählte Übungen aus dem Yoga
Dazu gibt es viele inspirierende Geschichten, Fragebögen zur Selbstbeobachtung und Achtsamkeitsübungen.
Meine Kurs-Erfahrung
Besonders gefallen hat mir, dass ich zu Beginn des Kurses aufgeschrieben habe, was ich von dem Kurs erwarte: und siehe da, am Ende des Kurses hatte ich zumindest eine Idee, wie ich meine Ziele in Zukunft erreichen können würde.
Die Kursabende habe ich sehr genossen (mehr als die Hausaufgaben). Ich habe die Atmosphäre in dem Gruppenraum genossen und die Gruppe als solche – haben wir doch jeden Abend mit einem Sharing Circle begonnen: jeder durfte teilen, wie es ihm geht, und wie es ihm in der Woche mit den Hausaufgaben gegangen ist.
Es tut gut gemeinsam Fortschritte zu feiern und genauso gut zu hören, dass auch die anderen nicht jeden Tag ihre Hausaufgaben erledigt haben.😇
Die Meditationsübungen waren nicht immer einfach umzusetzen und oft war das Geschnatter in meinem Verstand ganz schön laut. Es kostet einiges an Durchhaltevermögen sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Und auch hier tut es gut zu hören, dass es den anderen immer wieder ganz genau so geht. Als Trost: kein Tag ist wie der andere. Manchmal fällt es leichter, den Verstand „leise zu drehen“ und manchmal schwerer.
Das ist auch heute noch so. Aber heute kann ich damit umgehen und erkenne das als einen Teil der Meditation: das nicht zu bewerten, sondern nur zu beobachten.
Die Übungen zur Geh-Meditation waren für mich eine besondere Herausforderung, weil mir auch damals schon das Gehen sehr sehr schwer gefallen ist. Nichtsdestotrotz habe ich es immer wieder versucht – nur um festzustellen, dass das Gehen soviel meiner Konzentration fordert, dass ich mich gar nicht mehr auf meine Empfindungen konzentrieren kann. Deshalb habe ich in Absprache mit meiner Kursleitung auch die Gehmeditation im Liegen mit geschlossenen Augen praktiziert – und dabei das Gehen visualisiert, inklusive aller Empfindungen z.B. der Fußsohle auf dem Boden. Und so rege ich es auch immer in meinen geführten Meditationen an . Z.B. hier in meiner Podcast-Folge „Barfussgehen im Gras“
Gleiches gilt für die Yoga-Übungen Auch hier habe ich überwiegend im Liegen mit geschlossenen Augen praktiziert. Und es ist absolut erstaunlich, wie konkret man mit etwas Übung visualisieren kann. Noch erstaunlicher fand ich anfangs, dass der Effekt auf das Nervensystem absolut vergleichbar ist mit dem beim physischen Ausüben der Übung.
Mittlerweile weiß ich, wie effektiv sogar die Visualisierung ist. Ich wundere mich nicht mehr darüber, sondern im Gegenteil: ich nutze das regelmäßig für meine eigene Yoga-Praxis und leite dies auch immer wieder in meinen Offline Yoga-Kursen an.
Im Verlaufe des Kurses habe ich einen weiteren Brief geschrieben. Einen Brief an mich selbst, den die Kursleiterin irgendwann, Wochen später an mich abgeschickt hat. So wirkt der Kurs auch unmittelbar noch nach.
Fazit
Das allerbeste ist: die strukturierte Darstellung, das Kennenlernen von so vielen verschiedenen Techniken in diesem Rahmen.
Und nach dem Kurs?
Acht Wochen ist einfach zu wenig um alle Impulse umzusetzen und zu gesunden Gewohnheiten zu verwandeln, aber heute, mehrere Jahre später, bin ich sehr zufrieden und kann mit Stolz sagen, dass ich alle diese Ziele erreicht habe. Ja, durch tägliches Üben 😇.
Nein, nicht durch tägliches Üben der Kurs-Hausaufgaben. Der Kurs hat in wundervoller Weise ein Grundgerüst vermittelt, systematisch dargestellt, was alles geht, wie man Achtsamkeit lernen kann – und das ist für Anfänger wunderbar. Und noch wunderbarer für Menschen, die strukturiert denken und handeln.
Nach einiger Zeit habe ich aber ein Gefühl dafür entwickelt, noch mehr und andere Dinge ausprobiert und so meine ganz eigene Mischung, die mir gut tut entwickelt. Mittelweile liebe ich es, mit den Möglichkeiten zu spielen, mal über einen gewissen Zeitraum etwas bestimmtes intensiv zu üben und weiterzuentwickeln, mal mit ganz viel Abwechslung täglich etwas anderes zu praktizieren. Wichtig ist nur: täglich dranbleiben. Und das ist mittlerweile ganz einfach geworden. Es ist mir ein körperliches Bedürfnis, wie Essen und Trinken.
Dein Kurs: Was solltest du beachten?
Was ich dir empfehle, wenn du mit dem Gedanken spielst, einen MBSR-Kurs zu machen:
- Nutze die Gelegenheit des Vorgespräches um dir auch klar darüber zu werden, ob der/ die KursleiterIn auf deiner Wellenlänge ist. Ob du dir vorstellen kannst dich über Wochen von ihr/ ihm begleiten zu lassen und deine Gedanken und manchmal Gefühle zu teilen.
- Plane dir im Vorfeld genügend Zeit in deinem Alltag ein für die Hausaufgaben. Sei dir bewusst, dass das zusätzlich zeitintensiv wird, aber gleichzeitig eine Zeitinvestition in DICH ist!
- Wenn es soweit ist, nutze die Gelegenheit zum Austausch mit den anderen Kursteilnehmern. Es ist eine Bereicherung für alle.
- UND: bleibe offen für alle Erfahrungen! Das ist das Wichtigste überhaupt. Ja, manchmal fühlt es sich merkwürdig an und der Verstand kann ganz schön laut werden. Aber tut dir den Gefallen: bleib offen, bewerte nicht und probiere aus, was auf lange Sicht für dich passt, und was nicht.
Wie sieht es aus? Hast du schon Erfahrungen mit einem MBSR-Krus gemacht? Möchtest du gerne einen machen?
Lass es mich gern wissen und schreibe es in die Kommentare. Ich bin sehr gespannt…
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